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BMJ bringt umfassende Reform des Unterbringungsgesetzes auf den Weg

Stärkung der Kinder-und Erwachsenenrechte und Optimierung der Abläufe

Mit heutigem Tag startet das Bundesministerium für Justiz die Begutachtung des Gesetzesentwurfs zur Reform des Unterbringungsgesetzes. Die Begutachtung wird sieben Wochen dauern. Mit dieser Novelle gelingt es, lang überfällige, strukturelle Verbesserungen vorzunehmen, klarere Regelungen zu schaffen und die Unterbringung patient*innengerechter zu gestalten, vor allem für Minderjährige. Ziel ist es, neben der besseren Vorbeugung von Selbst- und Fremdgefährdung, die Rechte von psychiatrischen Patient*innen zu stärken und ihre Betreuungssituation nachhaltig zu verbessern. Der Gesetzesentwurf wurde in einem mehrjährigen Prozess unter breiter Einbindung von Stakeholder*innen in 40 Sitzungen erarbeitet. Auch die Empfehlungen der 2016 eingesetzten „Brunnenmarktkommission“ wurden mit der Reform umgesetzt. So etwa die bessere Vernetzung der Einrichtungen, klare Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden und damit eine durchgängige Betreuung psychisch Kranker in der Unterbringung. Damit soll Fällen wie dem Brunnenmarktmord in Zukunft besser vorgebeugt werden.

Mehr Informationsaustausch und Kooperation

Nach der bisherigen Gesetzeslage konnte es passieren, dass Patient*innen aus psychiatrischen Abteilungen entlassen wurden, obwohl sie nicht wussten, wohin sie sich mit ihren Problemen wenden sollen. Auch wurden Patient*innen nach einer Operation in einer „somatischen“ Abteilung wieder auf die psychiatrische Abteilung gebracht, obwohl dort eine post-operative Versorgung nicht gewährleistet werden kann. Diese Erfahrungen zeigten, dass es eine Reihe von Mängeln, Missverständnissen und Informationsverluste gab. Im neuen Entwurf wird auf den ununterbrochenen und vollständigen Informationsaustausch sowie die Kooperation der beteiligten Stellen besonderes Augenmerk gelegt. Künftig muss für jede Berufsgruppe genau geregelt werden, wann wer welche Daten mit welchem Zweck weitergibt. Der/Die Ärzt*in soll sich im Zuge der Aufhebung der Unterbringung um die weitere angemessene soziale und psychiatrische Betreuung kümmern. Der dafür nötige Austausch sensibler Daten wurde nun gesetzlich geregelt.

Abhilfe für den Mangel an Amtsärzten und neues Weisungsrecht des Bundes

Künftig soll stärker auf lokale Gegebenheiten Rücksicht genommen werden. Dazu wurde dem/der Landeshauptmann/-frau das Recht eingeräumt, Ärzt*innen zu ermächtigen, eine Bescheinigung nach dem Unterbringungsgesetz auszustellen. Das können auch Ärztepools sein. Eine wichtige Funktion kommt dabei dem/der Bundesminister*in für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu. Er/sie legt per Verordnung die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die ärztliche Ermächtigung bzw. die Entziehung fest. Außerdem wurde sein/ihr Aufsichts- und Weisungsrecht gesetzlich verankert. Denn Psychiatrien sind mit der Befugnis ausgestattet, Rechte und Freiheiten von Erkrankten zu beschränken. Damit kommt die Reform einer langjährigen Kritik nach.

Unterbringung von Minderjährigen – Stärkung von Kinderrechten

Ein wichtiges Ziel der Reform war es, besondere Bestimmungen für die Unterbringung Minderjähriger zu schaffen, um frühzeitig erkennbare Probleme abzufangen. Da das derzeitige Unterbringungsgesetz als Erwachsenenpsychiatrie-Gesetz angelegt ist, enthält es nur sehr vereinzelt Bestimmungen für Minderjährige. Das soll sich nun im Sinne der Rechte von Kindern ändern. Neu und ein Paradigmenwechsel in der Unterbringung ist, dass Minderjährige selbst bestimmen, ob sie auf freiwillig untergebracht werden und nicht mehr der Vater oder die Mutter. Gleichzeitig soll Elternrechten ein gebührender Stellenwert eingeräumt werden, etwa durch besondere Kooperationsmodelle.

Stärkung der Patient*innenrechte

Entscheidungsfähige Patient*innen dürfen künftig nur mit ihrer Einwilligung einer Behandlung unterzogen werden. Fehlt die Entscheidungsfähigkeit, so müssen behandelnde Ärzt*innen Personen beiziehen, die Patient*innen bei Entscheidungen unterstützen können. Auf Verlangen der Patient*innen oder ihrer Vertreter*innen muss das Gericht über die Zulässigkeit einer medizinischen Behandlung entscheiden. Das gilt auch, wenn die Patient*in nicht entscheidungsfähig ist und wenn keine Vertreter*in vorhanden ist. Nur in diesem Fall und bei Gefahr im Verzug darf der Patient ohne Einwilligung und Zustimmung behandelt werden. Damit wird den von der UN-Behindertenkonvention geprägten Regelungen des Erwachsenenschutzgesetzes entsprochen. Neu im Entwurf ist außerdem die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson. Die Patient*in kann diese namhaft machen und muss auch auf dieses Recht hingewiesen werden. Diese Person darf zur Erstanhörung und zur mündlichen Verhandlung mitgenommen werden. Neben einer selbstgewählten Vertretung soll im Sinn des Grundrechtsschutzes die Vertretung der Patientenanwaltschaft immer bestehen bleiben. Im Zuge der Aufhebung der Unterbringung hat der Arzt mit der Patient*in ein Gespräch zu führen, in dem die Unterbringung reflektiert werden soll und sich bei Bedarf um die weitere angemessene soziale und psychiatrische Betreuung zu bemühen. Mit der Reform sollen die Aufgaben aller Berufsgruppen noch klarer als bisher geregelt und die Bedürfnisse der Praxis aufgegriffen und eine ausgewogene Lösung bezüglich der notwendigen Beschränkungen, der Selbstbestimmung der Patient*innen und der Gefahrenprävention gefunden werden.


Rückfragehinweis:
BM für Justiz
Martina Schmidt
Pressesprecherin der Justizministerin
0676898912303
martina.schmidt@bmj.gv.at