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Berichtspflichten

In den vom Gesetz bestimmten Fällen (§ 8 Abs 1 Staatsanwaltschaftsgesetz - StAG) sind die mit einer Strafsache befassten Staatsanwaltschaften verpflichtet, von sich aus einen Vorhabensbericht an die zuständige Oberstaatsanwaltschaft zu erstatten, wenn es eine Strafsache betrifft,

  • an der wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Funktion des:der Verdächtigen im öffentlichen Leben ein besonderes öffentliches Interesse besteht (sog. „clamorose“ Strafsache) oder
  • in welcher noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind.

Diese Berichtspflicht dient im Wesentlichen dazu, dass die Entscheidung über das konkrete Vorgehen in diesen Fällen durch die Einbeziehung der Oberinstanzen auf eine breite Basis von höchster Fachkompetenz gestellt wird.

Diese gesetzliche Berichtspflicht wird im Berichtspflichtenerlass des Bundesministeriums für Justiz näher determiniert und grundsätzlich auf Sachverhalte konzentriert, in denen allgemeine Missstände zutage treten, die insbesondere die Funktionsfähigkeit jener Institutionen gefährden, die der politischen Meinungs- und Willensbildung und der Umsetzung ihrer Ergebnisse dienen, wie etwa bei Amts- und Korruptionsdelikten. Das öffentliche Interesse kann sich aber auch auf das ordnungsgemäße Funktionieren anderer wichtiger Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, wie etwa Wirtschaft, Kultur, Religion, Wissenschaft und Sport, beziehen.

Insgesamt betrachtet besteht nur in einem Bruchteil der anfallenden Strafsachen eine solche Vorhabensberichtspflicht. Dem im Zusammenhang mit „clamorosen“ Strafsachen immer wieder zu hörende Vorwurf einer „Zwei Klassen-Justiz für Prominente“ muss entgegengehalten werden, dass der öffentliche Bekanntheitsgrad einer verdächtigen Person allein („Promi-Status“) jedenfalls keine solche Berichtspflicht auslöst. Vielmehr geht es um die Sicherstellung einer fachlich bestmöglich fundierten Entscheidung in Strafsachen, welche die öffentlichen Bereiche und damit auch die Lebensrealitäten zahlreicher Menschen betreffen.

Soweit eine Strafsache von besonderem öffentlichem Interesse zudem auch eine überregionale Bedeutung aufweist, oder wenn eine noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen ist, hat die befasste Oberstaatsanwaltschaft dem Bundesministerium für Justiz über ihr beabsichtigtes Vorgehen in Bezug auf das von der Staatsanwaltschaft dargestellte Vorhaben zu berichten.

Informationen über die Prüfung von Berichten und die Erteilung von Weisungen finden Sie hier

Vorhabensberichte sind in den Verfahren von besonderem öffentlichen Interesse nicht bei jedem Schritt, den die Staatsanwaltschaft setzen will, zu erstatten, sondern in der Regel erst am Ende des Ermittlungsverfahrens, wenn jene Entscheidungen zu treffen sind, durch welche das Ermittlungsverfahren beendet wird oder in das Stadium des Hauptverfahrens übergeht. Zudem ist ein Vorhabensbericht zu erstatten, wenn eine Staatsanwaltschaft beabsichtigt, erst gar kein Ermittlungsverfahren einzuleiten oder eine gerichtliche Entscheidung (insbesondere ein Urteil) nicht oder nur teilweise zu bekämpfen.

In Strafsachen, in denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind, ist – in jeder Lage des Verfahrens – ein Vorhabensbericht im Vorfeld von Anordnungen und Anträgen zu erstatten, deren rechtliche Beurteilung von der Lösung der noch ungeklärten Rechtsfrage abhängt.

Informationsberichte

Bei Strafsachen, an denen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, haben Staatsanwaltschaften die zuständige Oberstaatsanwaltschaft nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens zeitnah über den Anfall und die angeordneten ersten Ermittlungsschritte zu informieren.

Zudem sind die Staatsanwaltschaften nach der derzeit geltenden Gesetzeslage verpflichtet, während des Ermittlungsverfahrens auch über bedeutende Verfahrensschritte zu informieren. Darunter fallen insbesondere Zwangsmaßnahmen (Untersuchungshaft und andere Zwangsmittel iSd § 105 Abs 1 StPO) und sonstige Grundrechtseingriffe vergleichbarer Intensität. Die Berichterstattung hat spätestens mit Beginn der Durchführung der Zwangsmaßnahme zu erfolgen.

Berichtsaufträge

Eine Pflicht zur Berichterstattung kann sich auch aus einem Berichtsauftrag einer Oberstaatsanwaltschaft oder des Bundesministeriums für Justiz ergeben. Solche Berichtsaufträge können einzelne Strafsachen oder bestimmte Gruppen von Strafsachen betreffen.

Ein Ersuchen um Berichterstattung in Einzelfällen stellen die Oberinstanzen insbesondere dann, wenn sie beispielsweise bei Rechtsschutzeingaben von Verfahrensbeteiligten und bei Aufsichtsbeschwerden nach § 37 StAG weitere Informationen zur Beurteilung des Sachverhalts und der Frage benötigen, ob Anlass für aufsichtsbehördliche Maßnahmen besteht, oder bei Wahrnehmung einer uneinheitlichen Rechtsanwendung.

Anlassfälle für Berichtsaufträge durch das Bundesministerium für Justiz sind insbesondere Anfragen gesetzgebender Körperschaften und internationaler Organisationen.

Gruppenberichte

Weiters können Berichtspflichten für bestimmte Gruppen von Strafsachen festgelegt werden. Solche Gruppenberichtspflichten werden insbesondere für Materien etabliert, bei welchen die Oberinstanzen sich einen möglichst umfassenden Überblick über sämtliche anhängigen Fälle verschaffen wollen, insbesondere, um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen. Gruppenberichtspflichten dienen aber auch als Basis für allfällige rechtspolitische Entscheidungen und zur Einhaltung von Informationspflichten gegenüber internationalen Organisationen. Sie können auch bloß befristet eingerichtet werden, etwa um einen raschen Überblick über den Umgang der Staatsanwaltschaften mit neuartigen Phänomenen (zB Strafsachen im Zusammenhang mit COVID) zu erhalten.

Unter eine solche Gruppenberichtspflicht fallen derzeit insbesondere Strafsachen nach dem Verbotsgesetz, bestimmte terroristische Strafsachen und Strafsachen im Zusammenhang mit Verstößen gegen internationale Sanktionsmaßnahmen.