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Justizielle Praxis

Hinsichtlich des Themas „Gewalt gegen Frauen“ ergreift das Bundesministerium für Justiz Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Behörden der Justiz in ihrem Einflussbereich bestmöglich tätig werden können, um Frauen und Mädchen zu schützen.  

Österreich hat das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“) ratifiziert (BGBl. III Nr. 164/2014).

Neben dem regelmäßigen Austausch in der interministeriellen Arbeitsgruppe „Schutz von Frauen vor Gewalt“ arbeitet das Bundesministerium für Justiz laufend an Verbesserungen für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt sowie an der vollständigen Umsetzung der Istanbul-Konvention.

Das BMJ hat darüber hinaus am 3. April 2019 in Erlassform Richtlinien zur Strafverfolgung bei Delikten im sozialen Nahraum veröffentlicht. Ausgehend von den Besonderheiten der Strafverfolgung in diesem Bereich (häufig emotional angespannte Situation und räumliche Nähe von Beschuldigten und Opfern; Schwierigkeiten bei der vollständigen Ermittlung des Sachverhalts aufgrund oftmals längere Zeit zurückliegender Taten bzw. längerer Tatzeiträume ohne objektive Beweisergebnisse und bei Inanspruchnahme von Aussagebefreiungsrechten)  und der von Opferschutzeinrichtungen (Gewaltschutzzentren, Wiener Interventionsstelle, Frauenhäuser, etc.) häufig geforderten strengeren Prüfung der Haftfrage, zielte der Erlasses darauf ab, den Staatsanwaltschaften eine zusammenfassende Darstellung der sich vor allem im Bereich der innerfamiliären Gewalt gegen Frauen zeigenden Ermittlungsanforderungen und aktuelle Lösungsansätze zu bieten. Schwerpunkte waren die umfassende Beweissammlung, die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei, die Haftfrage einschließlich der Gefährlichkeitseinschätzung der Beschuldigten sowie die Besonderheiten des staatsanwaltschaftlichen Journaldienstes.

Nach rund einjähriger Anwendung der Richtlinien wurden diese unter Berücksichtigung der zwischenzeitigen Erfahrungswerte und Anregungen der österreichischen Staatsanwaltschaften, der Polizeibehörden sowie der Opferschutzeinrichtungen (bspw. Wiener Interventionsstelle) evaluiert, überarbeitet und am 17. Dezember 2020 in einer den Staatsanwaltschaften zur Verfügung gestellten 2. Auflage veröffentlicht.

Das Hauptaugenmerk liegt auf der weiteren Verbesserung der Kommunikation zwischen Staats-anwaltschaft und Kriminalpolizei zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts und der Haftgründe sowie in der Abklärung der Gefährlichkeit der Beschuldigten, in der Berücksichtigung der spezifischen Situation von Opfern häuslicher Gewalt, in der Dokumentation staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen und auf den zwischenzeitigen gesetzlichen Neuerungen (bspw. Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt gemäß § 38a SPG). Um eine Berücksichtigung sämtlicher Aspekte bereits bei staatsanwaltschaftlichen Verfügungen im Journaldienst zu garantieren, wurde den Staatsanwaltschaften auch eine Checkliste für die relevanten Umstände zur Verfügung gestellt (siehe auch weiter unten).

Die staatsanwaltschaftliche Anwendungspraxis wird vom Bundesministerium für Justiz laufend evaluiert. Dabei liegt der Schwerpunkt neben der Prüfung einzelner Fälle im Rahmen der Fachaufsicht auf ständigem Austausch mit den Opferschutzeinrichtungen und dem Bundesministerium für Inneres. Dabei identifizierte Auffälligkeiten und allfälliger Nachschärfungsbedarf können zeitnah aufgegriffen und für die staatsanwaltschaftliche Praxis aufbereitet werden.

Journaldienst

Außerhalb der Dienststunden ist bei den Staatsanwaltschaften und den (unter anderem) mit Strafsachen befassten Landesgerichten ein mit Staatsanwält:innen bzw. Richter:innen besetzter Journaldienst oder eine entsprechende Rufbereitschaft eingerichtet.

Der staatsanwaltschaftliche Journaldienst gewährleistet durchgehende Erreichbarkeit der Staatsanwaltschaft (365 Tage im Jahr/24 Stunden täglich) für die Polizeibehörden und daher die unverzügliche Erledigung von dringenden staatsanwaltschaftlichen Anträgen und Anordnungen. Soweit für einzelne Anordnungen richterliche Bewilligungen erforderlich sind, können solche Anträge beim richterlichen Journaldienst gestellt werden.

Gerade auch bei Gewaltdelikten im sozialen Nahraum, die häufig zu Nacht- und Wochenendstunden anfallen, ermöglicht der staatsanwaltschaftliche Journaldienst eine unverzügliche und zeitnahe Beweissammlung und Reaktion zur Haftfrage.

Mit dem Erlass des Bundesministeriums für Justiz „Richtlinien zur Strafverfolgung bei Delikten im sozialen Nahraum, 2. Auflage“ vom 17. Dezember 2020 wurde den Staatsanwaltschaften für Journalbefassungen mit Delikten im sozialen Nahraum auch eine Checkliste zur Verfügung gestellt, welche die notwendigen Eckpunkte zur umfassenden Abklärung der Entscheidungsgrundlage, zur Beurteilung der Person bzw. der potentiellen Gefährlichkeit von Täter:innen sowie zur Erkennbarkeit möglicher weiterer Ermittlungsmaßnahmen festlegt.

Ausbildung

Die Bundesministerin für Justiz hat für den besonders sensiblen Bereich der Gewaltverbrechen dafür gesorgt, dass Richter:innen zuständig sind, die eine spezielle Ausbildung absolviert haben. Angehende Richter:innen und Staatsanwältinnen:Staatsanwälten machen im Rahmen ihrer Ausbildung eine Schulung bei Opferschutz- oder Fürsorgeeinrichtungen. Sie lernen dort auch über geschlechtsspezifische Gewalt an Frauen, Gewaltdynamiken, Traumatisierung und Täter:innenstrategien. Das Justizministerium wird darüber hinaus fortlaufend evaluieren und prüfen, wie das Aus- und Fortbildungsprogramm weiter verbessert werden kann.