Geschäftsmodell „Parkplatz-Abzocke“ beenden
Justizministerin, ÖAMTC und AK Wien präsentieren neue Maßnahmen und geben Einblicke in die Praxis
Es sind keine Einzelfälle, sondern hat System: Autofahrerinnen und Autofahrer werden eingeschüchtert und bedroht, nur um Profit zu machen. Medien, Konsumentenschützer und Automobilklubs haben zuletzt verstärkt darauf hingewiesen, dass es ein echtes Problem mit dem Missbrauch von Besitzstörungsklagen gibt. So werden Autofahrer:innen zur Zahlung mehrerer hundert Euro gedrängt, ansonsten droht ein aufwendiges und kostspieliges Gerichtsverfahren. Und das oft nur, weil sie auf einer schlecht oder gar nicht gekennzeichneten Privatfläche kurz gewendet oder ihr Auto abgestellt haben. Tatsächlich liegt in solchen Fällen oft aber gar keine Besitzstörung vor.
Das BMJ hat gestern einen Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt, der diesen Missbrauch von Besitzstörungsklagen eindämmen soll. Im Mittelpunkt der Reform steht eine Neuregelung, die einerseits das schützenswerte Besitzrecht wahrt und andererseits Bürgerinnen und Bürgern einen erleichterten Zugang zur gerichtlichen Klärung ermöglicht – mit dem Ziel, missbräuchliche KFZ-Besitzstörungsklagen als Geschäftsmodell wirksam einzudämmen.
Die Änderungen im Überblick
- Instanzenzug bis zum OGH: Künftig soll Gerichtshof bei KFZ-Besitzstörungsstreitigkeiten der Instanzenzug bis zum Obersten Gerichtshof ermöglicht werden. Dies war bisher dezidiert ausgeschlossen. Das sorgt für eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Und so wird außerdem Rechtsklarheit geschaffen, die dabei hilft, Missbrauch zu unterbinden. Selbst bei geringen Streitwerten wird hier der Zugang zum Obersten Gerichtshof möglich sein.
- Dem Geschäftsmodell „Parkplatz-Abzocke“ wird die Grundlage entzogen
In Anwaltsschreiben wurden bisher Klagen bei Gericht gedroht und zur Vermeidung ebendieser 400 Euro und mehr gefordert. Zu oft wählten Autofahrer:innen dann den vermeintlich günstigeren, außergerichtlichen Weg. Durch die Einführung einer Sonderbemessungsgrundlage wird der Anwaltstarif auf rund 100 Euro gesenkt. Dem Geschäftsmodell „Parkplatz-Abzocke“ wird damit das entzogen, was es am Leben hält: Der Profit. - Sachgerechte Differenzierung
Selbstverständlich bleibt es weiterhin möglich, eine Besitzstörung einzuklagen: Bei gerechtfertigten Vorgehen gegen Besitzstörungen bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Aber der systematischen missbräuchlichen Androhung solcher Klagen wird ein Ende gesetzt.
Justizministerin Anna Sporrer: „Einmal falsch gewendet und schon flattert das Anwaltsschreiben mit mehreren hunderten Euro ins Haus. Das hat System: Einschüchterung und Drohung, um Profit zu machen. Das tut dem Rechtsstaat nicht gut. Wir entziehen dem Geschäftsmodell ‚Parkplatz-Abzocke‘ das, was es am Leben hält: Den Profit. Wir begrenzen Anwaltskosten und schaffen Rechtssicherheit, auf die die Bevölkerung vertrauen kann.“
Martin Hoffer, Leiter ÖAMTC Rechtsdienste: „Als Interessenvertretung bemühen wir uns seit vielen Jahren, systematischer Abkassiererei endlich einen Riegel vorzuschieben. Dass es einen Entwurf für ein gemeinsames Regelwerk gibt, der jetzt an Expert:innen zur Begutachtung ausgeschickt wird, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings: Wir werden weiter gefordert sein, der Abzocke mit vorgeblichem Besitzschutz wirksam entgegenzutreten und beispielsweise auf kreative Umgehungen reagieren müssen. Hier sollten wir rasch und flexibel im Sinne der Konsument:innen handeln.“
Ludwig Dvořák, AK-Bereichsleiter für arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz: „Wir sind froh, dass sich die Bundesregierung und die Justizministerin des Problems angenommen haben – die sogenannte Parkplatzabzocke ist zu einem großen Problem geworden. Zahlreiche Anfragen und Beratungen unserer Mitglieder zeigen die Dringlichkeit. Wir werden uns natürlich auch im Rahmen des Begutachtungsverfahrens einbringen!“
Unterstützung für Betroffene
ÖAMTC Rechtsberatung: ÖAMTC-Mitglieder, die von Besitzstörungsklagen betroffen sind, können die kostenlose Rechtsberatung des Mobilitätsclubs in Anspruch nehmen. Die Jurist:innen beraten persönlich, telefonisch und schriftlich bei allen Rechtsfragen: www.oeamtc.at/rechtsberatung
AK-Konsumentenberatung: Die AK stellt Musterschreiben zur Verfügung, mit denen auf die außergerichtlichen Zahlungsaufforderungen reagiert und mit denen eine Besitzstörungsklage in der Regel erfolgreich abgewendet werden kann. Der Musterbrief sowie weiterführende Infos und alle Kontaktdaten finden sich auf der Homepage: www.arbeiterkammer.at.
In der AK-Konsumentenberatung kennt man die Beschwerden von Menschen, die mit Drohungen mit Besitzstörungsklagen bei Parkplätzen konfrontiert sind und außergerichtlich zur Zahlung von mehreren Hundert Euro aufgefordert werden. Aufgrund der Vielzahl an Anfragen von Konsument:innen in der Beratung hat die AK-Konsumentenberatung eine Vielzahl an Verfahren geführt, die zum Teil erfolgreich abgeschlossen worden sind und zum Teil noch anhängig sind. Neben 5 Verbandsklagen wurden Konsument:innen auch in mehreren Einzelfällen unterstützt und ihnen zu ihrem Recht verholfen.