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Wie läuft das Strafverfahren ab?

Der Unterschied zwischen Offizialdelikt, Ermächtigungsdelikt und Privatanklagedelikt wurde bereits im Beitrag „Welche Straftatbestände können bei Hass im Netz erfüllt sein?" erklärt. Von dieser Unterscheidung hängt auch der Ablauf des Strafverfahrens ab.

Verfahren bei Offizialdelikten

Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht eines Offizialdelikts in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären (§ 2 Abs. 1 StPO). Zumeist erfahren diese Strafverfolgungsbehörden durch eine Anzeige (§ 80 Abs. 1 StPO) oder durch eigene Wahrnehmung von einer Straftat. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn die Polizei zu einem Tatort gerufen wird.

Ermittlungsverfahren

Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft ermitteln von sich aus („von Amts wegen“).

Das Opfer wird wahrscheinlich als Zeugin bzw. Zeuge vernommen. Opfer müssen einer Ladung zu einer solchen Vernehmung Folge leisten. Zeug*innen sind zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet (§ 154 StPO). Unter Umständen sind Zeug*innen berechtigt, die Aussage zu verweigern: Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sie im Verfahren gegen eine*n Angehörige*n aussagen sollen oder durch die Aussage sich oder eine*n Angehörige*n belasten müssten (§§ 156, 157 StPO).

Dem Opfer kommen bestimmte Opferrechte zu. Dazu gehören das Recht, eine schriftliche Bestätigung seiner Anzeige zu erhalten, das Recht auf Akteneinsicht oder das Recht auf Übersetzungshilfe durch Dolmetschleistungen (vgl. § 66 StPO).

Das Opfer kann sich auch dem Verfahren als Privatbeteiligte*r anschließen und im Strafverfahren Ersatz für den durch die Straftat erlittenen Schaden begehren. Außerdem kann das Opfer eine Entschädigung für die Beeinträchtigung seiner strafrechtlich geschützten Rechtsgüter begehren (§ 67 StPO). 

Am Ende des Ermittlungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie 

  • das Verfahren gegen die bzw. den Beschuldigte*n einstellt,
  • von der Verfolgung (vorläufig) zurücktritt („Diversion“) oder
  • Anklage gegen die bzw. den Beschuldigte*n erhebt.

Einstellung des Verfahrens

Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein (§ 190 StPO), wenn der weiteren Verfolgung der bzw. des Beschuldigten rechtliche Gründe entgegenstehen (z.B. wenn die Tat bereits verjährt ist) oder der Nachweis der Schuld nicht erbracht werden kann (z.B. wenn eine Verurteilung nicht überwiegend wahrscheinlich ist).

Die Staatsanwaltschaft hat das Opfer von der Einstellung des Verfahrens zu informieren (§ 194 StPO). Das Opfer kann die Fortführung des Verfahrens beantragen (§ 195 StPO). Will die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht von sich aus fortführen, entscheidet darüber das Gericht.

Diversion

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Staatsanwaltschaft im Rahmen einer sogenannten Diversion von der Verfolgung der bzw. des Beschuldigten zurücktreten und das Verfahren nach 

  • einer Probezeit,
  • Zahlung eines Geldbetrags,
  • Durchführung eines Tatausgleichs oder
  • Erbringung gemeinnütziger Leistung 

einstellen (§§ 198ff StPO). Die Durchführung eines Tatausgleichs ist nur mit Zustimmung des Opfers möglich. Die Interessen des Opfers, insbesondere jenes auf Wiedergutmachung, sind in allen Fällen zu prüfen und im größtmöglichen Ausmaß zu fördern (§ 206 StPO). 

Anklage

Geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass eine Verurteilung überwiegend wahrscheinlich ist (Wahrscheinlichkeit größer als 50 %), so bringt sie gegen die bzw. den Beschuldigte*n beim zuständigen Gericht eine Anklage ein (§ 210 StPO). 

Hauptverfahren

Wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, kommt es zu einer Hauptverhandlung vor dem Gericht. 

Im Rahmen der Hauptverhandlung vernimmt das Gericht die bzw. den Angeklagte*n (§ 245 StPO) und führt ein Beweisverfahren durch. In diesem werden insbesondere Zeug*innen vernommen und schriftliche Beweisgegenstände (Urkunden) verlesen (§§ 246 ff StPO).

Opfer dürfen während der Hauptverhandlung anwesend sein und Angeklagte, Zeug*innen und Sachverständige befragen (§ 66 Abs. 1 Z 7 iVm § 249 StPO).

Nach Schluss des Beweisverfahrens und den Schlussvorträgen der Parteien verkündet das Gericht das Urteil: Das Gericht kann die bzw. den Angeklagte*n verurteilen (§ 260 StPO), freisprechen (§ 259 StPO) oder das Verfahren mit Diversion erledigen (§ 199 StPO). 

Wenn sich das Opfer dem Verfahren als Privatbeteiligte*r angeschlossen hat, entscheidet das Gericht auch über diese privatrechtlichen Ansprüche. Soweit solche nicht zugesprochen werden, hat das Gericht die bzw. den Privatbeteiligte*n auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (§ 366 StPO). Das bedeutet, dass dem Opfer noch immer die Möglichkeit offensteht, seine Ansprüche gegen die bzw. den Täter*in vor einem Zivilgericht einzuklagen.

Rechtsmittelverfahren

Privatbeteiligte können in eingeschränktem Ausmaß, insbesondere soweit ihre Ansprüche betroffen sind, Rechtsmittel (Nichtigkeitsbeschwerde und/oder Berufung) gegen das Urteil erheben (§§ 282, 283 StPO). 

Einem Opfer, das sich nicht als Privatbeteiligte*r dem Verfahren angeschlossen hat, kommt hingegen kein Rechtsmittel gegen das Urteil zu.

Gerichtsgebühren und Kosten

In Offizialverfahren fallen für das Opfer und die bzw. den Privatbteiligte*n keine Gerichtsgebühren an. Die bzw. der Privatbeteiligte hat also keine Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.

Das gilt allerdings dann nicht, wenn das Opfer das Strafverfahren durch eine wissentlich falsche Anzeige veranlasst hat!

Verfahren bei Ermächtigungsdelikten

Bei Ermächtigungsdelikten funktioniert das Strafverfahren grundsätzlich wie bei Offizialdelikten. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung die Ermächtigung (also Zustimmung) des Opfers einholen muss. Eine Liste der relevanten Ermächtigungsdelikte im Zusammenhang mit Hass im Netz finden Sie im Beitrag „Welche Straftatbestände können bei Hass im Netz erfüllt sein?“.

Verfahren bei Privatanklagedelikten

Das Opfer eines Privatanklagedelikts muss selbst aktiv werden! Die Staatsanwaltschaft wird bei Privatanklagedelikten nicht von sich aus tätig. Eine Liste der relevanten Privatanklagedelikte im Zusammenhang mit Hass im Netz finden Sie im Beitrag „Welche Straftatbestände können bei Hass im Netz erfüllt sein?“.

Antrag auf Ausforschung der bzw. des Beschuldigten

Eine Privatanklage kann nur gegen eine bekannte Person eingebracht werden. 

Oft sind Beschuldigte eines Hass im Netz-Deliktes allerdings unbekannt, beispielsweise weil sie im Internet unter einem Pseudonym auftreten. In diesen Fällen kann das Opfer bei Gericht die Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen zur Ausforschung der Täterin bzw. des Täters beantragen (§ 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO). Dieser Antrag muss die Erfordernisse eines Beweisantrags (§ 55 StPO) erfüllen. 

Liegen die Voraussetzungen vor, erlässt das zuständige Landesgericht durch die bzw. den Haft- und Rechtsschutzrichter*in die Anordnung und beauftragt die Kriminalpolizei mit der Durchführung. Wenn die bzw. der Beschuldigte ausgeforscht werden kann und die Anordnung ihr bzw. ihm gegenüber rechtskräftig ist, teilt das Gericht die ermittelten Daten dem Opfer mit (§ 71 Abs. 2 StPO).

Privatanklage und Hauptverfahren

Ist die bzw. der Beschuldigte bekannt, kann das Opfer als Privatankläger*in bei Gericht eine Privatanklage einbringen. Diese muss die Erfordernisse einer Anklageschrift (§ 211 StPO) erfüllen. Wenn das Opfer zuvor einen Antrag auf Ausforschung der bzw. des Beschuldigten gestellt hat, muss es die Privatanklage binnen sechs Wochen einbringen (§ 71 Abs. 3 StPO).

Nach Prüfung der Anklage beraumt das Gericht eine Hauptverhandlung an. Privatankläger*innen habe grundsätzlich die gleichen Rechte wie die Staatsanwaltschaft. Zwangsmaßnahmen können Privatankläger*innen allerdings nur mit gewissen Einschränkungen beantragen (§ 71 Abs. 6 StPO). 

Ein*e Privatankläger*in muss an der Hauptverhandlung teilnehmen: Kommt sie bzw. er nicht oder stellt nicht die erforderlichen Anträge, so wird angenommen, dass auf die Verfolgung verzichtet wird. Das Gericht muss das Verfahren dann einstellen (§ 71 Abs. 7 StPO).

Nach Durchführung und Schluss des Beweisverfahrens und den Schlussvorträgen der Parteien fällt und verkündet das Gericht das Urteil: Es kann die bzw. den Angeklagte*n verurteilen (§ 260 StPO) oder freisprechen (§ 259 StPO). Eine Diversion ist in Privatanklageverfahren nicht möglich (§ 199 StPO).

Gebühren und Kosten im Privatanklageverfahren

Der Antrag auf Ausforschung der bzw. des Beschuldigten ist gebührenfrei. Für die Einbringung der Privatanklage ist eine Gebühr von EUR 269 zu bezahlen (Stand: 1. Jänner 2021).

Wird die bzw. der Angeklagte rechtskräftig schuldig gesprochen, muss diese*r der bzw. dem Privatankläger*in die Gebühr für die Einbringung der Privatanklage ersetzen. Wurde die bzw. der Privatankläger*in durch eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt vertreten, sind auch diese Vertretungskosten, soweit notwendig, zu ersetzen.

Endet das Verfahren hingegen auf andere Weise als mit rechtskräftigem Schuldspruch (zB mit Freispruch), gilt für Privatankläger*innen wegen Hass im Netz-Delikten eine Erleichterung bei der Kostenersatzpflicht: Sie müssen lediglich der bzw. dem Angeklagten im Haupt- und Rechtsmittelverfahren die Kosten der Verteidigung ersetzen (§ 393 Abs. 4a StPO). Solche Kosten können nur anfallen, wenn sich die bzw. der Angeklagte von einer Rechtsanwältin bzw. einem Rechtsanwalt verteidigen lässt. 

Vom Ersatz aller anderen Kosten des Strafverfahrens (zB Zeug*innen-, Sachverständigen- oder Dolmetsch-Gebühren) sind Privatankläger*innen in Strafverfahren wegen Hass im Netz-Delikten (im Gegensatz zu Privatankläger*innen wegen anderer Delikte) grundsätzlich befreit. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein*e Privatankläger*in den Vorwurf wissentlich falsch erhoben hat (§ 390 Abs. 1a StPO).

Exkurs: Einziehung

Einziehung bedeutet, dass die verletzende Veröffentlichung über gerichtliche Anordnung aus dem Netz entfernt wird. Bei bestimmten Strafverfahren kann dies bei Gericht beantragt werden, entweder von der Staatsanwaltschaft (bei Offizialdelikten) oder vom Opfer selbst (bei Privatanklagedelikten). Die Einziehung ist im Mediengesetz geregelt. Nähere Informationen zur Einziehung finden Sie im Bereich Medienrechtliche Bestimmungen im Beitrag.

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